Manche Bücher nehmen beim Gelesenwerden keine Umwege über den Verstand, sondern gehen direkt ins Herz. Dieses Buch ist so eines.
Matt Haigs »Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben« vereint in sich eine Autobiographie, ein Selbst- und Fremdhilfehandbuch, eine Aufklärung und eine Entmystifizierung – alles im Zeichen von Depression, Angststörung und Suizidalität. Schwere Kost, möchte man meinen. Doch der Autor, den diese psychischen Erfahrungen beinahe das Leben gekostet hätten, tritt mit einer humorvollen Leichtigkeit an den Leser heran, die dem Buch seinen Schrecken nehmen.
Nach vier Seiten wusste ich, dass ich »Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben« mögen werde.
Es beginnt mit dem dunkelsten Tag in Matt Haigs Leben: mit der Schilderung seiner Gedanken, seiner Gefühle, seiner grenzenlosen Verwirrung und seiner Angst. Und obwohl es beklemmt, so nah an die schlimmste Erinnerung eines Menschen herangelassen zu werden, stößt es nicht ab, im Gegenteil: Dieses Buch zu lesen, fühlt sich an, als unterhalte man sich mit einem Freund über Sorgen, die niemand sonst versteht. Es ist eine enge, warmherzige Vertrauensbasis, mit der Matt Haig seinen Lesern begegnet. Ein sicherer Raum, ein Drei-Uhr-morgens-Gespräch, vielleicht sogar eine Umarmung.
Müsste ich eine Kernaussage aus dem Buch herausarbeiten, bestünde sie aus zwei Statements:
Erstens:
Es ist okay.« Nicht im Sinne von ›Ist schon gut, weine nicht‹, sondern: ›So wie du dich fühlst, ist es in Ordnung. Du bist nicht verrückt und du bist nicht kaputt. Deine Gefühle sind valide und du als Mensch bist es auch.
Zweitens:
»Die Depression lügt.« Sie macht, dass du dich schlecht fühlst. Sie ist wie zwei Teufelchen auf deinen Schultern: Der eine ruft: ›Du bist nichts wert!‹ und der andere antwortet: ›Ja, genau, du bist nichts wert!‹ Sie macht dir die schlimmsten Dinge über dich weis – und nichts davon ist wahr. Du bist etwas wert. Es wird besser werden. Es gibt Gründe, am Leben zu bleiben.
Matt Haig errichtet eine Brücke der Verbundenheit zu seinen Leidensgenossen und vermittelt ihnen das so sehnsuchtsvoll gewünschte Gefühl des Gesehen- und Verstandenwerdens. Er errichtet außerdem eine Brücke zu denen, die sich zum ersten Mal mit psychischen Problemen befassen, und führt sie zwar vorbehaltlos, aber sanft an das Thema heran. Das kleine Format, die breitrandige Setzung, die große Schrift und die kurzen Kapitel steigern dabei nicht nur den Suchtfaktor, sondern verursachen auf clevere Weise das Erfolgsgefühl, das man hat, wenn man sich in einem Buch vorankommen sieht.
Für jeden, der ähnliches erfahren hat und verzweifelt versucht auf die Beine zu kommen. Für jeden, der hinter die Stigmatisierung psychischer Krankheiten blicken möchte. Für jeden, der Lebensweisheiten sammelt. Dieses kurzweilige, herzerweichende, hoffnungsvolle, farbenprächtige Buch ist für jeden da
Eine Rezension von Lena über das Buch "Ziemlich gute Gründe am Leben zu beiben" von Matt Haig erschienen bei der dtv Verlagsgesellschaft.
Ich bin 24, Landkind vom Bodensee und studiere Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaft. Ich habe meine eigenen kleinen mental-health-Kämpfe, konkret seit ich Anfang 2019 mit einer Therapie angefangen habe, mit leichter Depression diagnostiziert wurde und seither ziemlich viel Quark aufarbeite. Mental health wird zurzeit erstmals in einem meiner Fantasy-Manuskripte thematisiert: Ich bin eine unveröffentlichte Hobbyautorin, habe mich in meinen bisherigen Romanen aber noch nie mit psychischer (Un-)Gesundheit beschäftigt. Ich bin davon überzeugt, dass die Verbindung von mental health und dem Schreiben jetzt eine wunderbare Möglichkeit bietet, eigenen Kram zu prozessieren.